Schwerpunkte der Forschung

Die Forschung des CBE fokussiert einerseits auf die Analyse und Erklärung moralischen bzw. moralrelevanten Denkens und Handelns in wirtschaftlichen Zusammenhängen und unter spezifischen Kontexten, andererseits auf die Analyse und Gestaltung der Rahmenordnung aus konflikttheoretischer Perspektive. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frage der Verbindung der empirischen verhaltenswissenschaftlichen Analyse ökonomischen Verhaltens und Gestaltung von Regeln im Rahmen marktwirtschaftlicher Ordnungssysteme gelegt, wobei auch pädagogische Gestaltungs- bzw. Entwicklungsmöglichkeiten ausgeleuchtet werden.

Dieses Forschungsprogramm ist der Frage nach den Prozessen und Strukturen der Entwicklung moralischen bzw. ethischen Denkens gewidmet. Es bezieht sich damit auf die Ontogenese des Individuums, aber auch auf Entwicklungen im Bereich der philosophischen Ethik.

Im Zentrum steht eine Weiterentwicklung der strukturgenetischen Moralentwicklungstheorie sensu Kohlberg und Piaget. Ergebnis dieser Forschungen ist bspw. eine 9-stufige neo-kohlbergsche Entwicklungstheorie mit jeweils drei Unterstufen. Diese umfasst (ganz im Sinne späterer Erweiterungen der Kohlbergtheorie, z.B. durch Habermas) auch aktuelle Ansätze aus dem Bereich der philosophischen Ethik und der Wirtschaftsethik.

Abgesehen von der Explikation, der hierarchischen Anordnung und der Entwicklung moralischer Urteilsprinzipien, steht auch deren aktualgenetische bzw. situative Aktivierung (insbesondere in wirtschaftlich relevanten Situationen) im Fokus des Forschungsinteresses. In pragmatischer Hinsicht geht es dabei um die Aufklärung und differenzierte Betrachtung wirtschaftsethischer Kompetenzen und deren ordnungsethische und wirtschaftspädagogische Implikationen.

Anknüpfend an die Befunde der Verhaltensökonomik, der experimentellen Ökonomik, der politischen Ökonomik und der Neuroökonomik hat sich auch in der Wirtschafts- und Unternehmensethik eine Diskussion um die Notwendigkeit neuer ökonomischer Verhaltensmodelle und die wirtschaftswissenschaftliche Relevanz von Ethik ergeben. Vor diesem Hintergrund integriert die Arbeitsstelle emotionale, psychologische, kognitive und soziale Faktoren in das klassische Themenspektrum der Wirtschafts- und Unternehmensethik.

Häufig fehlen den Theorien unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung (Corporate Social Responsibility) ein stringentes theoretisches Fundament und eine integrative Einbettung in wirtschaftswissenschaftliche Konzepte. Um diesen Mangel zu beheben verknüpft die Arbeitsstelle Wirtschaftsethik systematisch die Frage nach ethisch wünschenswerten unternehmerischen Handelns mit der Frage nach der guten Unternehmensführung (Good Corporate Governance). So werden mit Rückgriff auf die theoretischen Grundlagen der Transaktionskostenökonomik und Agency-Theorie wirtschafts- und unternehmensethische Problemlagen behandelt.

Von einem Großteil der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird der Frage nach der effizienten Produktion und Allokation knapper Ressourcen ein systematischer Vorrang vor der Frage nach distributiver Gerechtigkeit eingeräumt. Ausgehend von diesen Überlegungen wird den Ergebnissen ökonomischen Handelns - welche gesellschaftlich vielfach als „produktiv, aber ungerecht“ eingestuft werden - ein notwendiger sozialer Ausgleich gegenüber gestellt, der geeignet scheint, diese gesellschaftlichen Missstände aufzulösen. Dementsprechend wird Sozialpolitik allgemein als kompensierende Maßnahme gegen den Markt verstanden.

Aus wirtschaftsethischer Perspektive gilt es angesichts dieser Befunde zu untersuchen, welche Zielvorstellungen im Interesse der betroffenen Bürger liegen und wieweit ein solches Verständnis sozialpolitischer Maßnahmen dazu beitragen kann, moderne wirtschafts- bzw. ordnungspolitische Probleme strukturell und nachhaltig zu lösen.

Kulturökonomische Ansätze bieten vielfaltige Möglichkeiten zur Verknüpfung mit normativen und wirtschaftsethischen Fragestellungen. Ein solches Forschungsprogramm versteht sich als ein integrativer sozialwissenschaftlicher Ansatz, der sich mit der systematischen Analyse sozialer Regeln, deren Entstehung sowie der Frage nach den Möglichkeiten zur Gestaltung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen beschäftigt und hierzu gleichermaßen auf Erkenntnisse der Ökonomik, Soziologie, Psychologie etc. zurückgreift. Entsprechend wird danach gefragt, welchen Beitrag eine kulturelle Ökonomik zum besseren Verständnis des Spannungsverhältnisses zwischen Gerechtigkeitsvorstellungen und wirtschaftlicher Effizienz leisten kann.

Da gleichermaßen die Bedeutung des politischen Wettbewerbs sowie die Rolle kultureller Gebundenheit zur Erklärung institutionellen Wandels herangezogen werden, weist dieses Forschungsgebiet enge Anknüpfungspunkte zur modernen Institutionenökonomik und Konstitutionenökonomik auf.

Im Anschluss an eine folgenschwere Banken und Finanzkrise stellt sich einerseits die Frage nach der nötigen Rahmenordnung für das Finanzwesen, andererseits aber auch die Frage inwiefern Banken selbst eines neuen Verantwortungsbewusstseins bedürfen und dieses anforderungsgerecht umsetzen können. Für beide Fragen bedarf es dabei aber zunächst der Überlegung inwieweit sich für Banken und Finanzinstitute überhaupt ein Verantwortungskonzept erarbeiten beziehungsweise begründen lässt. Ein möglicher Ansatz geht dabei von der Eigentümlichkeit des Finanzmarktes aus. Dessen wirtschaftsermöglichende Funktion nämlich kann als quasi-hoheitlich gekennzeichnet werden und hierüber an eine verantwortliche Erfüllungspflicht ihrer Aufgaben zurückgebunden werden. Dieser Ansatz entkräftet den Fehlschluss der Vergangenheit, den Finanzmarkt als Wettbewerbsmarkt wie jeden anderen zu betrachten, in welchem der dem Wettbewerb inhärente Sanktionsmechanismus zum optimalen Zustand der Risikoverteilung führt. Im Gegenteil, Banken und Finanzunternehmen kommt eine verantwortliche Sonderstellung zu. Diese Verantwortung wird umso deutlicher, wenn die wirtschaftsermöglichenden Systeme versagen. Im Ausdruck der Systemrelevanz manifestiert sich diese an Verantwortung gebundene Sonderrolle.

Über das Funktionsbewusstsein ist also der Begriff der Bank mit dem des Vertrauens und der Verantwortung notwendigerweise verknüpft. Es gilt nun in weitreichenden Studien und Implementationsstrategien die Frage zu beantworten, wie sich dieser Anspruch einerseits durch entsprechende Elemente einer möglichen Rahmenordnung realisieren lässt und andererseits ein handlungsleitendes Verantwortungsbewusstsein bei den Entscheidern in den Banken hergestellt werden kann.

Angesichts globaler Prozesse trifft die nationalstaatliche Fokussierung der Wirtschafts- und Unternehmensethik zunehmend auf Grenzen, wenn es erstens um die Produktion und Distribution knapper Güter und Ressourcen als Resultat eines grenzüberschreitenden Kapitalismus geht, wenn zweitens die Rechtsetzungsfunktion bzw. ordnende Potenz des Staates auf die internationale Ebene verlagert wird und wenn drittens Individuen und einzelne soziale Gruppen vermehrt ihre soziale Stellung nicht nur im nationalen Kontext, sondern nun auch im transnationalen und globalen Rahmen vergleichen.

Entsprechend rückt zunehmend die Frage nach der Ausgestaltung der Weltwirtschaftsordnung sowie nach der Universalisierbarkeit von Regeln in den Mittelpunkt wirtschaftsethischer Forschung.

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